Zur Herangehensweise an verschiedene akustische Aufgabenstellungen […]

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Quelle: eigene Illustration

In Diskussionsforen oder bei Studierenden (wie auch Profis) tauchten immer wieder ähnliche Fragen wie die Folgenden auf:

  1. Was muss ich tun, um folgendes realistisch klingen zu lassen: [Filmszene:] SchauspielerIn spricht in ein Mikrophon, welches im Film dem Anschein nach über eine PA-Anlage verstärkt wird. Im allgemeinen wäre bei einem Filmdreh die PA-Anlage nicht echt (bzw. nur Teile davon) oder nicht angeschaltet. Auf dem O-Ton ist also nur der/die SchauspielerIn ohne PA-Analge zu hören. Derartige Szenen kommen in Filmen immer wieder bei Ansprachen in Firmen, bei Hochzeiten oder anderen Festen vor. Wie also kann ich den akustischen Effekt eine PA-Anlage simulieren.
  2. Wie kann ich die klangliche Besonderheit von sehr kleinen Räumen wie z.B. einem Autoinnenraum  oder eine Telefonzelle simulieren und flexibel nutzen.
  3. Hört man das Einschlagen einer Kugel neben sich eigentlich vor dem Knall/dem Schussgeräusch?
  4. [weitere Beispiele…]

 

Viele ähnlich Fragen könne man hier noch aufzählen. Natürlich kann man nun mit Effekten versuchen, den gewünschten Effekt/Klang zu modellieren, oder nach entsprechenden Presets suchen bzw. es “einfach nach Gefühl” machen. Auf der Suche nach dem richtigen Sound kann aber einerseits mit diesen “Methoden” (zu) viel Zeit vergehen (eventuell sitzen die Kunden hinter einem), andererseits klingt das Ergebnis vielleicht im Moment gut, man würde es aber u.U. zu einem späteren Zeitpunkt anders machen, da der Effekt eben doch nicht realistisch oder “gut genug” klingt.

Eine beispielhafte und zumindest stets hilfreiche und effektive Herangehensweise soll hier an Beispielen beschrieben werden, die äußerst Naheliegend ist – und wohl deshalb vielen erst gar nicht in den Sinn kommt.

Die Grundfrage lautet: Was passiert (akustisch) – rein physikalisch betrachtet?

Beantwortet man sich diese Frage in groben Zügen, so kann man schneller zu einem realistischen Ergebnis, also einem realistischem Klangbild gelangen (vorausgesetzt, dass es “realistisch klingen” soll).

zum Beispiel 1.

Vom/n DarstellerIn wurde wie gewöhnlich der O-Ton, also die Stimme aufgenommen. Was würde nun, rein physikalisch betrachtet, passieren, wäre eine funktionierendes Mikro mit Mischpult, Verstärkern und Lautsprechern in einem Saal?

  • Klangveränderung durch das Mikro und vielleicht durch das Mischpult und die Lautsprecher im Saal
  • Verzögerung durch die Laufzeit des Schalls von den Lautsprechern zum “Zuschauer”; wie groß ist der Abstand Lautsprecher/Zuschauer?
  • Feedback (Rückkoppelung des Lautsprechersignals in das Mikrophon und wieder in die Lautsprecher usw.) – dies kann sehr unterschiedlich sein, da dies sozusagen von den Fähigkeiten der Livebeschaller am Mischpult im Saal abhängen würde. Dies könnte von einer kaum wahrnehmbaren Rückkoppelung bis zu unangenehmen Feedback-Pfeiffen reichen. Wie groß ist der Abstand Lautsprecher/Saalmikrophon

Die Klangveränderung lässt sich durch Filter relativ leicht simulieren.

Aus den hier genannten Punkten wird klar, dass die Laufzeiten des Schalls von Lautsprechern zu Mikro und Lautsprechern zu Zuschauer errechnet werden sollte. Im allgemeinen ist es ausreichend, die Entfernungen zu schätzen, aus diesen ergeben sich dann durch die bekannte Schallgeschwindigkeit (ca. 300 m/sec) die Laufzeiten.

Der gefilterte Klang also muss bei einem Abstand von z.B. 20 m zum Zuschauer um 0,067 sec verzögert werden. Diese Verzögerung mit Filterung lässt sich häufig schneller und effektiver als mit Delays durch ein Kopieren und zeitliches Versetzen des O-Tons auf eine weitere Spur erreichen. Diese Vorgehensweise hat zudem den Vorteil, dass der O-Ton gleichzeitig unverändert hinzugemischt werden kann.

Eine leichte Rückkoppelung von Lautsprecher und Mikro könnte dann mit einem Delay erreicht werden. Würde man von einem Abstand Mikro/Lautsprecher von 10 m ausgehen, ergäbe sich eine Verzögerungszeit von 0,033 sec. Da dieser Teil des Signals Mikro und Lautsprecher simmulieren soll, sollte es ebenfalls gefiltert werden (zumindest ähnlich wie der Filter, der das direkte Lautsprechersignal simulieren soll).

Sowohl das simulierte direkte Lautsprechersignal wie auch das Feedback (und der O-Ton) benötigen je nach (filmischen) Räumlichkeiten zusätzlichen Hall/zusätzliche Raumsimulation (in unserem Beispiel also die Simulation eines “Saals”).

zum Beispiel 2.

Der Schall wird bei so kurzen Entfernungen in entsprechend kurzer Zeit reflektiert (so ergeben sich z.B. bei 50 cm Abstand eine Verzögerung von nur 0,0016 sec, was bei einer Samplingrate von 48 kHz etwa 80 Samples entspricht[1]). Bei so kleinen Räumen sind zudem die sogenannten ersten Reflektionen[2] von besonderer Bedeutung. Durch die Einstellung des Filters simuliert man gewissermaßen die Reflektionseigenschaften des Materials – in diesen Beispielen also im Wesentlichen die von Glas (Windschutzscheibe und Glas der Telefonzelle). Auch hier bietet sich für die erste Reflektion wieder der Einsatz einer zusätzlichen Spur (mit Filter) an – für zusätzliche Räumlichkeit kann eine entsprechende Raumsimulation (ein entsprechendes Preset) verwendet werden.

Der Vorteil dieses “Tricks” zum direkten und sehr einfachen Zugriff auf die erste Reflektion liegt in der einfachen und schnellen Handhabbarkeit des Raumeindrucks.

zum Beispiel 3.

Das Beispiel mit Schusswaffen lässt sich leicht beantworten. Die Schallgeschwindigkeit beträgt etwa 300 m/sec – die Geschwindigkeit einer Kugel liegt zwischen 300 – 1000 m/sec. Es lässt sich also errechnen, dass das Auftreffen des Projektils vor dem Schussgeräusch hörbar wird – wenn man sich beim Ziel befindet. Je nach Abstand der Waffe und Waffenart kann das Projektil also durchaus über einer Sekunde früher als der Klang der Explosion des Pulvers in der Waffe zu hören sein (wieder vorausgesetzt, dass man sich beim Ziel befindet) – was filmisch/klanglich durchaus von Vorteil sein kann. Trifft also im Film (!) beispielsweise eine Kugel einen Darsteller und wird der Einschlag des Projektils groß im Bild gezeigt (was nicht selten der Fall ist), so dürfte das eigentliche Schussgeräusch erst kurze Zeit später zu hören sein (je nach Waffe und Abstand).

zum Beispiel 4. [work in progress…]

 

Es gibt ein Vielzahl von Beispielen, bei denen unrealistischer Sound zu hören ist – absichtlich und unabsichtlich. Abgesehen von Explosionen und vorbeifliegenden Raumschiffen im All und synchron zum entfernten Blitz erklingender Donner – bis zum bildsynchronen Geräusch von weit entfernten Explosionen (die ja eigentlich erst Sekunden später zu hören sein sollten). Im All gibt es keinen Sound, da kein Medium vorhanden ist, welches den Klang weiter-/übertragen könnte; Blitz und Donner sind nur dann synchron, wenn der Blitz in unmittelbarer Nähe einschlägt (was im Film eher die Ausnahme ist).

Dieser kurze Artikel verfolgt das Ziel, einfache physikalische Überlegungen bei der Gestaltung des Tons in Filmen oder anderen Medien mit einzubeziehen um damit einerseits ein realistisches Klangbild zu erhalten und um andererseits auch Arbeits- und Zeitaufwand zu minimieren. Diese Herangehensweise an die Tongestaltung (oder zumindest Teilen davon) erscheint bei vielen Aufgabenstellungen vorteilhaft und kann auch bei Diskussionen, wie der Ton gestaltet werden soll, wesentliche und objektive Argumente liefern.

 

© Klaus Ploch

 

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1 dies sei erwähnt, da: in vielen Workstations eine Delayeinstellung unterhalb 1 ms häufig nicht möglich ist;

da die übliche Samplingrate für Filmton bei 48 kHz liegt und

da einzelnes Audiomaterial (Takes) bei professionellen Workstations i.a. um beliebige Sampling-Werte zeitlich verschoben werden können
2 siehe hierzu auch Raumsimulation und Hall [work in progress…]

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